Am ersten Tag war mal wieder Giza angesagt - wie eigentlich jedes mal wenn ich da bin. Diesmal wollte ich mir den Westfriedhof von Cheops genauer ansehen, was ich bislang noch nie geschafft habe. Warum auch immer. Und danach wollte ich mich im Nile Hilton mit der schon erwähnten Ägyptologin treffen, die an dem Tag in Kairo war.
Das Wetter war ziemlich seltsam. Der Himmel war bleigrau, aber dennoch schien irgendwie die Sonne. Die Luft war drückend, und auch die Geräusche klangen hohl und still. Die Stimmung auf dem Giza-Plateau war fast so, wie man sich die ägyptische Jenseitswelt vorstellen kann - surreal.
Oben auf dem Plateau angekommen war vom Rest Kairos nichts zu erkennen, alles war in grauem Dunst eingebettet. Zu sehen war auch nur die Cheopspyramide, Chefren und Mykerinos waren von dem kaum greifbaren grauen Dunst verschluckt.

Der Westfriedhof

Westfriedhof Cheops Der sogenannte Westfriedhof beginnt nordwestlich der Cheopspyramide und zieht sich fast bis zur Chefrenpyramide hin. In diesem Areal liegen Hunderte von Mastabas aus der 4. bis 6. Dynastie, die Verwandten der Pharaonen, hohen Regierungsangestellten, Priestern und deren Nachkommen gehören. Die Grabungsberichte über diesen Friedhof füllen einen Meter in meinem Bücherregal, Zeit also, das ganze mal aus erster Hand zu betrachten. Zuerst besuchten Hermann und ich drei Mastabas direkt nordwestlich der Großen Pyramide, die seit zwei Jahren zugänglich sind.
Da diese im Inneren keinerlei Bemalung aufweisen, war hier das sonst überall verbotene fotografieren mit Blitz erlaubt - was auch notwendig war, da keine andere Beleuchtung vorhanden war.
Wie ich aber gehört habe, ist Fotografieren innerhalb ägyptischer Gräber sowohl um Kairo herum als auch im Tal der Könige inzwischen grundsätzlich und vollständig untersagt. Klasse :-(
Die Negativserie des Vortages setzte sich hier nahtlos fort: Hermanns Blitz war defekt. Der blitzte wann und wie er wollte, aber nicht wenn Hermann den Auslöser betätigte. Nach einigen Experimenten stellten wir fest, dass er halbwegs zuverlässig blitzte, wenn man sich zwischen zwei Bildern 5-10 Minuten Zeit ließ - irgendwie nicht das Wahre.
 
Als wir aus den Mastabas herauskamen, hatte sich der Dunst soweit aufgeklärt, dass man ganz Giza überblicken konnte. Dennoch war das Licht sehr seltsam und erlaubte leider keine guten Übersichtfotos:

Westfriedhof Westfriedhof

Inzwischen wehte auch ein unangenehmer, eisiger Wind übers Plateau. Und Hermann als Ägypten-Neuling machte seine ersten Erfahrungen mit dem Geschäftssinn der Einheimischen.
Das Giza-Plateau war bisher Freibeuter-Gebiet gewesen. Es war überschwemmt von Postkarten- Wasser- und Souvenierverkäufern, sowie von Esel- Pony- und Kamelhaltern, die einem zum "Foto with camel" oder gar "photo on camel" oder zum Kamelritt überreden wollten. Im Jahr 2002 traten neue Richtlinien in Kraft, nach denen nicht nur ausschließlich autorisierte Anbieter auf dem Plateau zugelassen waren, sondern wo auch Fixpreise für die unterschiedlichen "Dienste" eingeführt wurden. Direkt am Eingang hing eine Tafel, auf der genau zu lesen war, was ein "Foto mit Kamel" kosten darf, und auch wie lange ein Kamelritt sein muß. Aber die Macher dieser Liste haben natürlich nicht mit dem Erfindungsreichtum der Geschäftsleute gerechnet...
Als wir aus der letzten der drei Mastabas herausgekommen waren, wurden wir bereits von einem Kamelführer erwartet. Hermann meinte "Och so ein Foto mit mir vor Kamel - das wäre ja was für Ellen (seine Tochter)". 5 Pfund war dafür der Richtpreis. Gesagt, getan, Hermann baute sich, von mir mit Warnungen versehen, vor dem Kamel auf und gab dem Kollegen des Kamelmenschen seine Kamera zum Fotografieren. Was nun folgte war klassisch: der Kamelhalter legte Hermann sein Kopftuch um, ließ sich zusammen mit ihm fotografieren, drängte ihn, sich "mal eben" aufs Kamel zu setzen ("No extra charge - Kein Extrapreis") - und ließ das Kamel danach aufstehen und lief mit ihm los. Mit dem lauthals protestierenden Hermann obenauf. Denn der hatte inzwischen geschnallt, was der geschäftstüchtige Ägypter da mit ihm anstellte: Ein einfaches "Foto mit Kamel" zu einem Kamelritt umzufunktionieren.
Ich verlor Hermann aus den Augen, hörte aber das Gezeter und Geschrei hinter der nächsten Mastaba. Dort sah man: Einen erbosten Hermann auf Kamel, der nur eines wollte: herunter. Und einen ebenso erbosten Kamelhalter, der ihn nur herunterlassen wollte, wenn Hermann für einen vollen Kamelritt bezahlt. Erst die Annäherung zweier Angehöriger der Touristenpolizei ließen ihn nachgeben. Hermann zahlte sein Foto, und die beiden Ägypter zogen fluchend von dannen. Ich erwartete Hermann mit einem breiten Grinsen und meinte nur "Ich habe Dich gewarnt..." :-)

Auf dem Westfriedhof wollte ich mich auch nach Mastaba-Baumethoden umsehen, die recht stiefmütterlich behandelt werden. Nachdem ich den Originaleingang der Cheopspyramide eingehend fotografiert hatte, suchte ich nun nach interessanten Details an den Mastabas. Zum Beispiel diese zyklopenähnliche Bauweise, die ich in Ägypten so noch nicht gesehen habe:

Mastaba-Mauer Zyklopenmauer

Mit "Zyklopenmauer" bezeichnet man eine Bauform, bei der nicht quaderförmige Blöcke übereinandergestapelt werden, sondern wo unregelmäßig geformte Blöcke ineinander verzahnt werden. Diese Mastaba (Nr. 4970) ist ein gutes Beispiel für die Anwendung dieser Technik im alten Ägypten. Eine Scheintür dieser Mastaba nennt den Königsnamen Djedefre dem Sohn von Pharao Cheops), sie dürfte daher aus der Zeit um Cheops herum errichtet worden sein.
Weiterhin suchte ich nach Spuren unfertiger Bearbeitung - und wurde an derselben Mastaba fündig:

Bearbeitungsgrenze Grenze nahe

Die Bearbeitungsgrenzen interessieren mich deswegen, weil ich erhoffte, Bearbeitungsspuren zu finden. Wenn Sie meine Pyramidenrätsel oder meine Bauseiten gelesen haben wissen sie, dass es eine Reihe von Leuten gibt die behaupten, Pyramiden und andere Bauten wären aus Kunststein errichtet worden, da die Werkzeuge der Ägypter die Bearbeitung von Stein nicht zugelassen hätten. Und dass unregelmäßige Steine die Urform der gepackten Blöcke seien, die nicht rechtzeitig geglättet worden seien. Und nach der Aushärtung sei Bearbeitung eben ein Ding der Unmöglichkeit gewesen.
Wie ich auf meiner "Beton"-Seite zeige, ist die gesamte Idee absurd, aber dennoch ist es beruhigend, dass auf dem linken Bild (besser auf der vergrößerten Version) deutlich diagonale Pickelspuren zu erkennen sind, z.B. am Block ganz oben, und nahe der Bearbeitungsgrenze abgerundete Spuren der Vorbearbeitung.
Noch extremer aber waren die Grenzen an der gegenüberliegenden Mastaba, wo man offensichtlich einfach aufgehört hat, weiterzubauen:

schräger Bauabbruch Baugrenze nahe

Danach ging es in einem großen Bogen oberhalb der Chefrenpyramide zum Totentempel von Mykerinos, den ich bei meinen bisherigen Besuchen sträflichst vernachlässigt habe. Obwohl er eine Besonderheit hat: Die schwersten jemals bewegten Steinblöcke des Alten Reichs.

Totentempel Menkaure Hermann vor Riesenblöcken Hermann vor Riesenblöcken

Das erste Bild zeigt den Tempel von der Spitze der Mykerinos-Pyramide aus gesehen. Bild zwei zeigt Hermann als Größenvergleich vor den beiden größten Blöcken (rechts oben und darunter). Diese wiegen bis zu 300 Tonnen pro Stück! Und gelten in der Grenzwissenschaft daher auch als Rätsel, denn wie hebt man solche Dinger?
Aber halt, wieso heben? Es gibt doch auch andere Wege! Der Tempel war nicht allzu hoch, sodass eine einfache Sand- oder Schotteraufschüttung gereicht hätte, diese Steine auf die gewünschte Höhe zu ziehen. Sinnvoll wäre zum Beispiel eine Rampe die direkt auf die einzelnen Mauersegmente zuläuft, sodass man den Stein gerade, wahrscheinlich sogar ohne Schlitten, auf die Mauer hätte hinaufziehen können. Wie im Bau-Teil besprochen reichen 14 Mann für 2 1/2 Tonnen, also wird man für diese Blöcke auch nicht mehr als 200 Mann benötigt haben.
Ich wollte speziell sehen, ob man an den Steinen noch sogenannte "Bossen" sehen kann. Das sind "Knubbel" im Stein, die eventuell dazu gedient haben können, um Seile oder Tragestangen anzubringen. Das wäre zum Beispiel ein Hinweis, dass ein Stein ohne Schlitten transportiert wurde. Da etliche Verkleidungssteine der Mykerinospyramide noch solche Bossen aufweisen, hatte ich große Hoffnungen. Leider waren aber die Steine überwiegend zu stark verwittert, um auf solche Spuren hoffen zu können.
Ich hatte vor, für mein Archiv jeden Stein des Tempels zu fotografieren, und auch die seltsamen Bootsgruben zu suchen, als es passierte. Meine Kamera machte "klick" als ich abdrückte - und danach noch einmal "klack" und ich sah nichts mehr. ???!!!???
Ich nahm vorsichtig das Objektiv ab - und erspähte die Einstellscheibe der Kamera, die auf dem Spiegel lag. Nebst allerlei anderem Klimbim, der offenkundig zur Halterung dieser Scheibe gehörte.
Dazu muß gesagt werden, dass dieses Gehäuse, Minolta Dynax 5, gerade mal 3 Wochen alt war!!!!
Ich packte daher den ganzen Kram erstmal ein und machte mich auf zu meinem "Date" im Nile Hilton. Dort angekommen SMSte mir Eva zu, dass sie im Stau stecke - wie abwechslungsreich :-). Und so machte ich mich dran, die Kamera irgendwie zu reparieren.
Leute die mich nicht kennen machen sich manchmal lustig darüber, dass ich nie ohne Werkzeugsatz in Urlaub fahre, und sogar immer eine Basisausstattung in einem kleinen Maniküreetuie unterwegs dabei habe. Nun, ICH weiß schon, warum :-)
Mit einer Pinzette machte ich mich erstmal daran, alle im Gehäuse umherfliegenden Kleinteile aus dem Gehäuse zu sichern und in einem Filterbehälter zu sammeln. Eine Überprüfung ergab, dass wohl alles vollständig war. Die Einstellscheibe war mit einer dreiteiligen Halterung und zwei Schrauben gesichert gewesen. Die Schrauben müssen sich irgendwie gelöst haben, oder sie waren vom Werk aus nicht richtig festgezogen gewesen. Nach ein paar Minuten hatte ich alles so zusammengesetzt wie ich es für richtig empfand - aber die Scharfstellung funktionierte nicht. Wenn der Autofocus fertig war, war das Sucherbild unscharf. Und wenn ich manuell fokussiert hatte, meldete der Autofocus Probleme. Wat nu? Wer hatte Recht?
Ich markierte im Hof des Nile Hilton daher ein paar Entfernungen, die ich mit meinem immer mitgeführten Maßband abgesteckt hatte, und hatte dabei immer ein Auge auf den Museumseingang, wo die Ägyptologin jeden Moment eintreffen sollte. Gesehen hatte ich sie noch nie, aber aufgrund ihrer Postings und ihrer scharfen Feder hatte ich mir ein inneres Bild zurechtgelegt, wie eine solche Person auszusehen hätte.
Während ich meine Messungen durchführte (und dabei feststellte, dass das Autofocus-System offenkundig richtig funktionierte, und ich mich bereits an den Gedanken gewöhnte, den Rest des Urlaubs (20 von 21 Tagen) mit unscharfen Sucherbildern leben zu müssen), bemerkte ich eine recht modisch gekleidete Person, die vom Nileingang her mit forschem Schritt durch die Hotelanlage marschierte. Vor dem Ausgang auf der Museumsseite blieb sie stehen, fingerte aus einem kleinen Fototäschchen ein modisches Handy - und plötzlich machte meines "piiep". Eva war da - und sie sah überhaupt nicht so aus wie ich mir eine hart arbeitende Ägyptologin vorstellte ;-)
Der Rest des Tages verlief dann relativ ereignislos, und am späten Abend im Hotel gelang es mir tatsächlich, die Kamera wieder vollständig zu reparieren.

Zurück: Hurra! UrlaubWeiter: Sakkara
 
 
Alle Bilder und Texte sofern nicht anders vermerkt © Frank Dörnenburg